Moritz

Moritz
Mo|ritz [wohl nach einer Figur des dt. Karikaturisten u. Malers A. Oberländer (1845–1923)]:
in der Wendung wie sich der kleine M. etw. vorstellt (ugs. scherzh.; der naiven, kindlichen Vorstellung, die sich jmd. von etw. macht, entsprechend).

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I
Moritz,
 
[von lateinisch Mauritius, einer Weiterbildung von Maurus »der aus Mauretanien Stammende«, »der Mohr«], Herrscher:
 
 Hessen-Kassel:  
 1) Moritz der Gelehrte, Landgraf (1592-1627), * Kassel 26. 5. 1572, ✝ Schloss Plesse (bei Bovenden) 15. 3. 1632; Sohn Landgraf Wilhelms IV., des Weisen; führte seit 1605 den Kalvinismus ein und rief damit verstärkten Widerstand der lutherischen Landstände hervor; 1609 Beitritt zur protestantischen Union. Obwohl er die Herrschaft über Oberhessen und die Abtei Hersfeld gewann (1604), war er letztlich innen- und außenpolitisch erfolglos, verlor im Marburger Erbfolgestreit 1623 Oberhessen an Darmstadt und wurde 1627 durch die lutherischen Landstände und die Liga zur Abdankung gezwungen. - Moritz war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft und selbst ein gelehrter Dichter und Schriftsteller. Durch die Errichtung des ersten ständigen Theaters mit englischen Komödianten in Kassel (Ottoneum) und vorbildliche Musikpflege macht er seinen Hof zu einem kulturellen Mittelpunkt. Mit dem Collegium Mauritianum gründete er 1599 eine Akademie für junge Adlige in Kassel.
 
 Nassau-Oranien:  
 2) Moritz, Prinz, Graf von Nassau-Dillenburg, Statthalter der Niederlande, * Dillenburg 14. 11. 1567, ✝ Den Haag 23. 4. 1625; Sohn Wilhelms I. von Oranien und Annas von Sachsen; wurde ein Jahr nach der Ermordung seines Vaters 1584 Vorsitzender im Staatsrat der Generalstaaten und Generaladmiral der Marine, 1585 Statthalter von Holland und Seeland, später auch von Utrecht, Geldern und Overijssel und 1590 zum Oberbefehlshaber der vereinigten niederländischen Provinzen gewählt. Durch die Reorganisation seiner Truppen und die Anwendung militärtechnischer Neuerungen konnte er die Spanier bis 1594 aus den nördlichen Provinzen vertreiben. Die Verhandlungen über den 12-jährigen Waffenstillstand mit Spanien 1609 und die Ereignisse dieser Zeit führten zu einer Entfremdung zwischen Moritz und dem Ratspensionär J. van Oldenbarnevelt, den Moritz 1619 hinrichten ließ.
 
 Sachsen:  
 3) Moritz, Herzog (seit 1541) und erster albertinischer Kurfürst (seit 1547), * Freiberg 21. 3. 1521, ✝ bei Sievershausen (heute zu Lehrte) 11. 7. 1553; Sohn Herzog Heinrichs des Frommen, Bruder von Kurfürst August; kämpfte, obgleich Protestant und zunächst um Neutralität bemüht, im Schmalkaldischen Krieg ab 27. 10. 1546 auf der Seite Kaiser Karls V. gegen seinen Schwiegervater, Landgraf Philipp I. von Hessen, und seinen ernestinischen Vetter Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen. Nach der Schlacht bei Mühlberg/Elbe (24. 4. 1547 wurde Moritz - noch im Feldlager zum Kurfürsten ausgerufen (4. 6.) - am 24. 2. 1548 vom Kaiser mit der Kurwürde und dem Ostteil der ernestinischen Lande (u. a. Kurlande, Teile Thüringens) belehnt. Gegen das Streben Karls V. nach unumschränkter Herrschaft und wegen der Gefangenschaft seines Schwiegervaters setzte sich Moritz im Oktober 1550 unerwartet an die Spitze der Fürstenverschwörung. Nachdem er Heinrich II. von Frankreich im Vertrag von Chambord (15. 1. 1552 Metz, Toul und Verdun zugesichert hatte, griff Moritz den Kaiser an und zwang ihn zur Anerkennung des Passauer Vertrags (15. 8. 1552 und damit zur Machtbalance im Reich. Im 2. Markgräfler Krieg gegen Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, gleichzeitig zur Verteidigung des Passauer Vertrags, wurde Moritz in der Schlacht bei Sievershausen (9. 7. 1553 tödlich verwundet. - Konfessionspolitisch nicht gebunden, aber von (macht)politischer Energie und Pragmatismus getrieben, schuf Moritz die Grundlage für den Aufstieg des albertinischen Sachsen (im Ergebnis Konsolidierung der Reformation). Moritz förderte den Ausbau der Universität Wittenberg und die Reform der Universität Leipzig; er ist der Gründer der sächsischen Fürstenschulen (1543/50). - Grabmal im Dom zu Freiberg.
 
Ausgabe: Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, herausgegeben von E. Brandenburg, auf 6 Bände berechnet (1900 ff.).
 
 
H. Jung: Kurfürst M. von Sachsen (1966);
 K. Blaschke: M. von Sachsen (1984);
 G. Wartenberg: Landesherrschaft u. Reformation. M. von Sachsen u. die albertin. Kirchenpolitik bis 1546 (Weimar 1988).
 
II
Moritz,
 
Graf von Sachsen, französischer Marschall, Sachsen, Moritz Graf von.
 
III
Moritz,
 
Karl Philipp, Schriftsteller, * Hameln 15. 9. 1756, ✝ Berlin 26. 6. 1793; aus armer, streng pietistischer Familie; Hutmacherlehrling, Schauspieler, studierte in Erfurt und Wittenberg Theologie, war Lehrer am Philanthropinum in Dessau, später in Berlin, dort in engem Kontakt mit den Vertretern der Aufklärung (u. a. M. Mendelssohn); ging 1782 nach Großbritannien, 1786 nach Italien, wo er sich mit Goethe befreundete, bei dem er sich auch 1788 nach der Rückkehr in Weimar aufhielt; 1789 Professor für Altertumskunde in Berlin. Sein Hauptwerk, der pietistisch gefärbte autobiographische Roman »Anton Reiser« (4 Bände, 1785-90), ist eine psychologisch und kulturgeschichtlich interessante Darstellung der geistigen Entwicklung eines jungen Menschen in der Sturm-und-Drang-Zeit und übte nachhaltigen Einfluss auf die Neufassung von Goethes »Wilhelm Meister« nach der Italienreise aus. Sein »Versuch einer deutschen Prosodie« (1786) und sein kunsttheoretisches Hauptwerk »Über die bildende Nachahmung des Schönen« (1788) hatten wesentlichen Einfluss auf die deutsche Klassik.
 
Weitere Werke: Blunt oder Der Gast (1781); Reisen eines Deutschen in England im Jahr 1782 (1783); Andreas Hartknopf (1786); Versuch einer kleinen praktischen Kinderlogik (1786); Götterlehre oder Mythologische Dichtungen der Alten (1791); Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788, 3 Bände (1792-93); Allgemeiner deutscher Briefsteller (1793); Die neue Cecilie (herausgegeben 1794).
 
Ausgaben: Schriften zur Ästhetik und Poetik, herausgegeben von H. J. Schrimpf (1962); Die Schriften, herausgegeben von P. Nettelbeck u. a., auf 30 Bände berechnet (1986 ff.).
 
 
T. P. Saine: Die ästhet. Theodizee. K. P. M. u. die Philosophie des 18. Jh. (1971);
 R. Minder: Glaube, Skepsis u. Rationalismus. Dargestellt aufgrund der autobiograph. Schriften von K. P. M. (1974);
 J. Fürnkäs: Der Ursprung des psycholog. Romans. K. P. M.' »Anton Reiser« (1977);
 H. J. Schrimpf: K. P. M. (1980);
 
K. P. M. u. das 18. Jh., hg. v. M. Fontius u. M. Klingenberg (1995).
 

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Mo|ritz [wohl nach einer Figur des dt. Karikaturisten u. Malers A. Oberländer (1845-1923)]: in der Wendung wie sich der kleine M. etw. vorstellt (ugs. scherzh.; der naiven, kindlichen Vorstellung, die sich jmd. von etw. macht, entsprechend): jenes Manifest ... las sich, wie der kleine M. sich den Seelenerguss einer innerparteilichen Fraktion vorstellt, die um Gefolgschaft im Lande wirbt (Spiegel 35, 1988, 120).

Universal-Lexikon. 2012.

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